Ein neuer Job, mit dem Partner zusammenziehen oder sich selbstständig machen – wo immer Sie hinschauen, wartet das Unbekannte auf Sie. Wer jetzt einen kleinen Knoten in der Magengegend spürt, ist nicht allein. Das Unbekannte ist wie ein Überraschungsei: Spiel, Spaß, Spannung und Überraschung. Also Arbeit, neue Erfahrungen, Unsicherheit und es läuft immer anders als gedacht.
Ich bin auch gerne einmal skeptisch, wenn ich vor dem Unbekannten stehe. Die Einen nennen es lieber beim Namen: die Angst vor dem Unbekannten. Andere, ich auch, nennen es „Skepsis“. Für die nicht ganz so Graecophilen unter uns: Skepsis ist die Übersetzung für „Zweifel“. An wem zweifeln wir da wohl?
Ein Moment von vielen
Denken Sie kurz einmal darüber nach, wie Sie sich das letzte Mal gefühlt haben, als Sie vor dem Unbekannten standen. Drei Möglichkeiten: (1) Sie könnten schon gewusst haben, dass das nichts für Sie ist. Auf der einen Seite fühlen wir uns dann erleichtert, weil wir uns das Unbekannte ersparen werden. Auf der anderen Seite fühlen wir uns schlecht, weil wir diesen Weg nicht gehen können.
(2) Sie könnten aber auch hin und her überlegt haben. Sie waren zwar „skeptisch“, aber Sie wussten auch, dass im Unbekannten Ihre Zukunft liegt. Denn Entwicklung bedeutet ja nichts anderes, als einen neuen (unbekannten) Weg zu gehen.
(3) Sie könnten auch einfach neugierig gewesen sein. Vielleicht hat Ihnen das Herz gehämmert, aber gleichzeitig wollten Sie wissen, was hinter diesem neuen Weg auf sie wartet.
Möglicherweise denken Sie jetzt, dass es eine Typfrage ist, ob wir das Unbekannte lieben oder ihm mit „Skepsis“ begegnen. Doch das wäre zu einfach. Zum Beispiel kenne ich wagemutige Unternehmer, die mit einem Lächeln auf dem Gesicht neue Märkte erobern. Gleichzeitig können sie sich aber nicht dazu entschließen, ihre längst ruinierte Ehe zu beenden oder die neue Partnerin bei sich einziehen zu lassen.
Dann gibt es denjenigen, der schon vor Jahren innerlich gekündigt hat. Er arbeitet immer noch im selben Job, während er in der gleichen Zeit neu geheiratet hat, eine Lifestyle OP hatte und zwei Fremdsprachen gelernt hat.
Ist das nicht merkwürdig? Was der eine gerne vermeidet, scheint der andere entschlossen anzugehen und umgekehrt.
Natürlich ist es eine Frage des Mutes. Was sonst? Aber jeder von uns hat unterschiedliche Fähigkeiten. Das bedeutet auch, dass uns die einen Sachen leicht fallen, während die anderen uns einschüchtern.
Rüstzeug
Zum Unbekannten gibt es allerdings auch Gegenmittel. Eines der einfachsten vermittelt mein Kollege Frederik Malsy. Als Geschäftsführer eines erfolgreichen Improvisationstheaters weiß er, mit dem Unbekannten spielerisch umzugehen. Zumindest im menschlichen Bereich kann er in seinen Workshops eine Fähigkeit vermitteln, die Ihnen die „Skepsis“ im Umgang mit anderen Menschen nimmt. Das ist schon einmal ein großer Bereich. Zum Beispiel in Verkaufsgesprächen oder beim Gespräch mit der Bank, um die Kreditlinie zu verlängern oder wenn es darum geht, ein schwieriges Mitarbeitergespräch zu führen. Immer dann helfen die Techniken der Improvisation.
Das Wissen, auch mit dem Unerwarteten umgehen zu können ist wie eine Versicherung gegen die Überraschungen, die im Unbekannten auf uns warten.
Mir geht es oft so, dass ich in den ungeplanten Momenten in einen Abenteuermodus falle. Ungewöhnliche Situationen scheinen mich dann zu reizen. Nachträglich finde ich es immer selbst ein wenig merkwürdig, aber ich werde dann unfassbar neugierig . Meine Frau macht das wahnsinnig. Wenn wir uns bei einer Bergwanderung verlaufen haben, dann möchte sie gerne möglichst schnell wieder in bekannte Gefilde, während ich aus ihrer Sicht das Abenteuer zu genießen scheine. Sobald es allerdings in den zwischenmenschlichen Bereich geht, erlischt mein Abenteuergeist. Äußere Bedingungen dürfen gerne schwierig sein, aber wenn ein Mensch plötzlich ausflippt und mich anschreit – darauf kann ich wirklich gerne verzichten.
Abenteuergeist ist also auch ein gutes Gegenmittel gegen das Unbekannte. Vielleicht lauert da eine Erfahrung, die Sie in dieser rohen, unzivilisierten Weise anspricht? Wer weiß?
Der Fachmann nennt das „Reframing“. Wir können zwar meistens nicht beeinflussen, was passiert, aber wir können darüber entscheiden, was es für uns bedeutet. Was für mich ein Abenteuer ist, versteht ein anderer als wertvolle Lernerfahrung und der nächste als eine Herausforderung. Vermeiden Sie eine Deutung, die Ihnen in der Situation schadet. Die Deutung, „nichts mehr tun zu können“ motiviert wahrscheinlich nicht sonderlich.
Wir haben also Fähigkeiten, die uns helfen, auch mit dem Unerwarteten gut fertig zu werden. Allerdings ist das nicht der Königsweg. Wir könnten viel besser mit dem Unbekannten umgehen.
Durchblick
Was das Unbekannte für uns zur Herausforderung macht, ist das Unbekannte. Wüssten wir, was auf uns wartet, wäre es ja nicht mehr unbekannt. Aber was können Sie tun, wenn Sie zum Beispiel einen wildfremden Menschen anrufen sollen, um ihn davon zu überzeugen, dass Sie unbedingt einen gemeinsamen Gesprächstermin brauchen? Allein beim Gedanken daran, zieht vielen schon der Nebel des Grauens entgegen.
Sie könnten natürlich etwas mehr über diese Person in Erfahrung bringen. Im Zeitalter von Social Media ist das einfach. Gemeinsame Interessen machen den anderen in unserer Vorstellung sympathischer und zugänglicher. Das hilft. Allerdings kann unser Anruf zum unpassenden Moment kommen und dann hilft unser Wissen nichts. Machen Sie es besser nicht, wie der eine Kollege, der seinem Gesprächspartner frustriert in den Hörer rief „Ich weiß, was Sie in Ihrer Freizeit machen“. Wie das ausging, kann sich jeder lebhaft vorstellen. Hier fehlte Know-how, das „Gewusst wie“.
Zum Glück gibt es dazu Seminare. Fast alles, was an Unbekannten auf uns wartet, können wir durch die richtige Weiterbildung in den Griff bekommen. So gibt es neben Verkaufs-Seminaren, Flirt-Seminare, Paarberatungen, Karriereworkshops, Führungstrainings, Rhetorikschulungen und Seminare, wie Sie am besten vorgehen, um ein Haus zu kaufen oder zu bauen. Es gibt sogar Seminare, die Sie aufs Sterben vorbereiten sollen. Kurse, wie „Geisterbeschwörung und Exorzismus“ kommen einem dann gar nicht mehr so merkwürdig vor. Mit der Angst vor dem Unbekannten lässt sich offensichtlich viel Geld verdienen.
Preiswerter geht es mit Vorbildern. Die meisten uns (noch) unbekannte Wege haben andere bereits beschritten. Mithilfe ihrer Geschichten machen wir uns ein Bild von dem, was uns erwarten könnte. Wenn wir dann noch ihre besten Strategien kennen, haben wir bereits viel getan, um den Nebel des Unbekannten zu lüften. Die Erfahrung lehrt, auf Sichtweite sind die meisten Probleme kleiner als sie es in unserer Vorstellung einmal waren.
Noch preiswerter sind Bücher. Außer über das Unbekannte(!) gibt es heute nichts, über das nicht schon einmal geschrieben worden wäre.
Der Weg eines Königs
Das alles ist hilfreich. Aber es löst das Hauptproblem nicht. Es sei denn, Sie sagen, alles Unbekannte ist es wert, von Ihnen erforscht zu werden. Mir persönlich ist die Welt dafür zu groß. Damit kommen wir in mein Spezialgebiet. Denn wenn wir uns beschränken oder konzentrieren wollen, müssen wir uns entscheiden.
Doch auf welcher Grundlage wollen wir entscheiden? Wenn das Unbekannte unbekannt ist, wissen wir doch nicht, was auf uns wartet. Wie ein wabernder Nebel verdeckt es alles, was uns die Entscheidung erleichtert. Deshalb wissen so viele Leute auch erst was Sie nicht wollen, wenn Sie sich bereits entschieden haben.
Müssen wir also auf gut Glück entscheiden, welchen neuen Job wir nehmen? Welche Menschen wir in unser Leben lassen? In welches Land, in welche Stadt wir ziehen? Richten wir uns nach der Mehrheit, dann ist genau das der Weg.
Aber ich würde keinen langen Artikel darüber schreiben, wenn es keine Lösung gäbe. Es ist dieselbe Lösung, die Voraussetzung für jede gute Entscheidung ist.
Wie war noch einmal mein bis zum Erbrechen strapaziertes Motto? Genau! „Entscheidungen geben unserem Handeln seine Richtung“. Wer seinem Handeln eine Richtung gibt, muss auch wissen, wo es hingehen soll. Daran drücken sich die meisten zwar vorbei, aber sie müssen dafür mit ihrer Unzufriedenheit leben.
Wir brauchen eine Vision unserer Zukunft, die wir für uns schaffen wollen. So eine Vision ist wie ein großer Berg. Es mag ja sein, dass in den Tälern der Nebel wabert. Aber am Ende werden wir diesen Berg erreichen und besteigen, weil wir zwei Dinge wissen. (1) Wir wissen, in welcher Richtung er liegt. (2) Wir wollen genau dort hin und nirgendwo sonst, weil wir uns das so ausgesucht haben.
Wenn Sie einen Grund haben, durch den Nebel zu gehen, dann werden sie es auch tun. Das nennt sich Entschlossenheit. Sie ist die große Schwester der Entscheidung.
Glauben Sie, dass Sie sich vom Unbekannten aufhalten oder sogar einschüchtern lassen, wenn Sie entschlossen sind, Ihre Vision umzusetzen?
Das ist zugleich der Lackmus-Test für Ihre Vision. Lassen Sie sich von ein bisschen Nebelgewaber aufhalten, haben Sie noch nicht die richtige Vision. Wenn Sie aber nicht aufzuhalten sind, wissen Sie, dass Ihre Vision für Sie passt.
Schleife drumherum
Wenn Sie das nächste Mal dem Unbekannten ins formlose Gesicht sehen, können Sie Einiges tun.
Sie können lernen, ihre Improvisationsgabe zu nutzen. Sie können das ganze als Abenteuer verstehen. Sie können ein Seminar besuchen, das Sie auf die Herausforderung vorbereitet. Sie können sogar ein gutes Buch darüber lesen. Sie können sich ein Vorbild suchen, dem Sie nacheifern.
Das alles können Sie tun. Doch das Wichtigste bleibt: Schaffen Sie eine klare Vision davon, wo sie hin wollen. Schaffen Sie sich ein ganzheitliches Bild, wie Ihre Zukunft in zehn Jahren aussehen soll. Dazu gehört: Ihr Beruf, Ihre Partnerschaft, Ihre Familie, Ihre Gesundheit, Ihre Fitness, Ihre Freunde und Ihre Spiritualität.
Damit treffen Sie die besten Entscheidungen Ihres Lebens. Das Unbekannte ist längst nicht mehr so unbekannt, wenn Sie wissen, wo Sie am Ende ankommen werden.